Rede zur Haushaltssatzung für die Haushaltsjahr 2024/2025 in der Kreistagssitzung am 31.03.2025, gehalten von Martina Klement, Bündnis 90/ Die Grünen, Fraktionsvorsitzende und Mitglied des Kreistages. Die Sitzung wurde aufgezeichnet und auf Youtube veröffentlicht. Alle Reden aus dem Kreistag können hier nachgesehen werden.
Sehr geehrter Herr Vorsitzender,
sehr geehrte Damen und Herren!
Vor gut einem Jahr habe ich hier gestanden und zum Doppelhaushalt 2024/2025 gesprochen. Alles was ich damals gesagt habe würde ich alles wieder so sagen.
Allerdings ist mittlerweile eine Menge passiert: Auch in unserem Landkreis erleben wir eine Zeitenwende!
Wir haben einen neuen Landrat. Nach fast 40 Jahren SPD-Regentschaft ist nun ein CDU-Landrat am Ruder.
Grundsätzlich ist ein Wechsel nach so langer Zeit einfach mal gut. Zumal der neue Landrat Carsten Braun sich für einen neuen Politikstil einsetzt. Er stieß den langjährigen Vorsitzenden der CDU-Fraktion Hans-Jürgen Irmer vom Thron und wurde Fraktionsvorsitzender. Er trat in den Dialog mit der Koalition und verzichtete auf die Flut von immer gleichen CDU-Anträgen. Vielversprechend.
Wir hätten gerne als Koalition mit ihm zusammengearbeitet. Ein konstruktiver Diskurs schien möglich zu sein. Wir hätten gerne parteiübergreifend gute Wege für unseren Kreis gesucht.
Aber wir haben uns getäuscht. Für die CDU war es schlicht einfacher, sich nur mit einem Juniorpartner auseinandersetzen zu müssen und so warb man um die SPD. Und da hatte man ein bemerkenswert einfaches Spiel. Ruckzuck wurden neue Freundschaften geschlossen.
Wir wissen was passierte. Die SPD verlies ohne Not die funktionierende Koalition von SPD, Grünen, FWG und FDP. Sie wollte als Verliererin der Landratswahl lieber mit der CDU zusammenarbeiten. – Das muss man nicht verstehen. Das verstehen viele auch nicht. Der Bruch des Koalitionsvertrages ist auf jeden Fall keine Lapalie. Ein Vertrauensbruch. Und die SPD muss damit leben.
Alte Kamellen – mögen Sie / mögt ihr denken. Keineswegs, der ursprüngliche Koalitionsvertrag war auf die komplette Wahlperiode ausgelegt, hätte also noch 1 Jahr gegolten.
Wir Grüne haben uns gefragt, wie man auf dieser Basis denn überhaupt noch miteinander arbeiten kann? Will man das überhaupt?
Mittlerweile sehen wir, man strebt überhaupt keine Zusammenarbeit an. Alle unsere Anträge werden konsequent abgelehnt – egal wie man noch vor ein paar Wochen darüber gedacht hat oder abgestimmt hätte.
Ein Mitglied der SPD-Fraktion sagte mir im Blick auf den geplanten Koalitionsbruch: Ihr werdet keinen einzigen Antrag mehr durchkriegen! Fand ich völlig übertrieben. Aber der / die Kreistagsabgeordnete hatte recht. Zumindest mit diesem schrägen Versprechen bliebt sich die SPD treu.
Ich habe das wirklich nicht glauben wollen. Demokratie besteht doch auch aus der Auseinandersetzung mit anderen Meinungen und aus der Suche nach der richtigen Lösung. – Hier im Kreistag offensichtlich nicht.
Wie will man die Menschen für Politik begeistern, wenn man so arbeitet?
Ich hoffe sehr, dass das von uns beantragte und geplante Jugendparlament hier andere Wege geht und neuen Schwung in unseren Kreis und in die Demokratie bringt. Die beiden Pimp-Your-Town-Projekte waren da ja schon sehr vielversprechend.
Gehen wir mal weiter:
Das besagte Mitglied der SPD-Fraktion meinte außerdem, dass der Umwelt- und Klimaschutz mit der neuen Kooperation völlig unterginge. Weder in der SPD noch in der CDU würde sich irgendjemand dafür interessieren. – Konnte ich auch nicht glauben.
Aber mittlerweile bin ich auch hier eines Besseren belehrt worden!
Unser grüner Antrag zu einem Konzept für den Bau von Photovoltaikanlagen auf kreiseigenen Liegenschaften schien mir ein Selbstläufer zu sein. Schließlich hatte der Kreistag mit deutlicher Mehrheit beschlossen, dass man die möglichen Flächen ermittelt. Da war unser Antrag mit der Entwicklung eines Konzepts zur Umsetzung ja nur die notwendige Konsequenz. Oder sollte die von der Verwaltung geleistete Arbeit überflüssig sein?
Dann aber die große Überraschung: CDU und SPD lehnen den Antrag geschlossen ab. Ich habe den Landrat gefragt, ob er das verstehen könne? NEIN. Er wäre bei der Fraktionssitzung aber auch nicht dabei gewesen.
Cirsten Kunz und Michael Hundertmark aber unisono: Das machen wir doch schon alles! Wir brauchen kein Konzept. Von Cirsten Kunz kennen wir ja die unendlichen Lobgesänge auf die Verwaltung schon lange, aber Michael Hundertmark fiel bisher eher durch kritische Fragen auf. Vergangenheit. Jetzt stimmt er ruckzuck ins Loblied auf die Verwaltung mit ein. So schnell geht das. Kaum glaubwürdig.
Ihr Lieben, wisst ihr wirklich nicht um die Defizite? Oder seid ihr einfach nicht ehrlich? Beides nicht gut.
In 2024 wurde keine einzige Photovoltaikanlage auf unseren Liegenschaften errichtet! Haben wir etwa in 2024 keine einzige Schule saniert?
In der Vergangenheit wurden Anlagen nicht gebaut, obwohl sie wirtschaftlich gewesen wären. Grund: Man forderte man eine Amortisationszeit von 10 Jahren – fatal, denn die Anlagen halten mehr als 20 Jahren. Die Folge: wirtschaftliche Anlagen wurden vom Lahn-Dill-Kreis nicht gebaut!
Habe ihr schon mal in den Nachbarkreis Marburg-Biedenkopf geschaut? Die sind da viel weiter.
Da kann man doch nicht behaupten: Wir machen doch schon alles. Da muss ich doch schauen, wo hängt es und wie kann es besser werden!
Wir im Kreistag sind doch nicht dafür da, alles toll zu finden. Wir sind eine Kontrollinstanz und müssen kritisch hinschauen.
Nun zum Haushalt selbst:
Das für 2025 ursprünglich geplante Ergebnis von -15,5 Mio. verschlechtert sich um 29,3 Mio. auf satte 44,8 Mio.
Auch das habe ich nicht wirklich glauben wollen.
Nachdem wir schon für 2024 satt nachlegen mussten. Aus dem geplanten Minus von 26,1 Mio. wurde ein Minus von 50 Mio. Eine Verschlechterung von 23,9 Mio.!
Und jetzt in 2025 ist die Verschlechterung gegenüber der Planung sogar noch größer als im Vorjahr. Und das obwohl man bei der Aufstellung des Haushalts 2025 bereits satte 7 Mio. zusammengespart hat.
Das hatte ich so nicht erwartet, weil die Hauptursache für die Riesendefizit in 2024 ja die deutlich geringere Erstattung der Kosten für die Unterbringung von Flüchtlingen war. Für 2025 wurden deshalb bereits teure Gemeinschaftsunterkünfte abgebaut und Aufwendungen für Sicherheitsdienste reduziert.
Wir Grüne haben uns ohnehin gefragt, ob der Lahn-Dill-Kreis für die Flüchtlingsunterbringung nicht zu viel Geld ausgegeben hat. Andere hessische Landkreise haben zwar auch Verluste. Hauptursache ist dort aber nicht die Flüchtlingsunterbringung.
Wir haben deshalb im Sozialausschusssitzung am 4. Dezember 2024 gefragt, woher die Haushaltsdefizite in den anderen hessischen Landkreisen kommen. Die Beantwortung wurde uns zugesagt. Sie liegt uns immer noch nicht vor. Hat man keine Zahlen oder will man sie einfach nicht rausrücken?
Wir haben nämlich den Eindruck, dass der Lahn-Dill-Kreis für die Unterbringung von Flüchtlingen zu viel Geld ausgegeben hat.
Ich werde immer wieder von Bürgerinnen und Bürgern gefragt, warum Unterkünfte leer stehen. Leerstand wird vom Bund nicht erstattet, kostet aber.
Die Kreisregierung wollte hier auf Nummer Sicher gehen und eher mehr als zu wenig tun. Turnhallen und Dorfgemeinschaftshäuser sollten hier nicht belegt werden. Diese Entscheidung ist verständlich, hat uns aber auch sehr viel Geld gekostet – zu viel Geld. Geld, das uns jetzt fehlt.
Die Entwicklung der Flüchtlingszahlen unterliegt erheblichen Schwankungen. Eine Planung ist sicherlich nicht einfach. Aber die Annahme, der Bund bezahlt es ja, hat uns in den Abgrund geführt.
Wenn ich mir die Erläuterung zum Haushalt 2025 anschaue, erstattet der Bund sogar die vollen Unterbringungskosten. Allerdings Zitat: „ist nicht mit einer entsprechenden Weiterleitung der Bundesmittel durch das Land Hessen zu rechnen.“ Die klebrigen Finger auf Landesebenen werden vom SPD-Landtagsabgeordneten Stephan Grüger ja seit Jahren angeprangert. – Jetzt, wo die SPD selbst mitregiert, da kleben die Finger erst recht und uns trifft es.
Die großen Gemeinschaftsunterkünfte haben exorbitant hohe Kosten verursacht. Die Kostensteigerung aus 2023 führte erst Ende 2024 zu einer Anpassung der Gebührensatzung für die Erhebung von Gebühren für die Unterbringung von Personen nach dem Landesaufnahmegesetz. Die Gebührenanpassung gilt zum 01.01.2025. Da hätte man schneller handeln müssen. Wären die Kosten zeitnah überprüft und die Gebühren neu kalkuliert worden, dann hätte uns das für 2024 einen satten Betrag an Mehreinnahmen von 4,3 Mio. gebracht. Geld das uns jetzt fehlt.
Da wurden für die großen Gemeinschaftsunterkünfte Sicherheitsdienste beauftragt – zum Objekt- und Personenschutz. 2,6 Mio. waren dafür in 2025 eingeplant. In die Gebührenkalkulation wurden sie nicht einbezogen. Da hätte ich mir eine sachliche Diskussion gewünscht, inwieweit diese Aufwendungen überhaupt notwendig sind und ob diese Gelder in der Flüchtlingsbetreuung nicht sinnvoller angelegt worden wären.
Wie will man aber mit der Partei am rechten Rand im Kreistag zum Thema Flüchtlinge eine sachliche Diskussion führen? Eine Partei, die bei diesem Thema immer wieder in die gleichen wenig hilfreichen Narrative verfällt.
Der vorliegende Haushalt ist kräftig nach allen möglichen Sparmöglichkeiten durchkämmt worden. 7 Mio. hat man zusammengekratzt. Bei einigen Posten gab es tatsächlich Reserven. In den vergangenen Jahren waren die tatsächlichen Zahlen dann oft deutlich besser als die geplanten Daten. Die Puffer sind nun weg und das tatsächliche Ergebnis 2025 wird kaum besser ausfallen können.
Beim VLDW greifen wir auf Rücklagen zu, die der Gesellschaft künftig natürlich fehlen. Im Moment gibt das eine kräftige Entlastung, aber die künftige Finanzierung steht damit auf wackeligen Beinen.
Sollten sich die Rahmendaten nicht ändern, wird künftig eine Erhöhung der Kreis- und Schulumlage unumgänglich sein.
Wir begrüßen es, dass der neue Landrat nun die gesamte Organisation auf den Prüfstand stellt. Doppel- und Mehrfachstrukturen sollen vermieden werden. Das ist sicherlich gut. Abteilungen sollen miteinander und nicht nebeneinander arbeiten. Aber auch Arbeitsabläufe müssen auf den Prüfstand und zwar permanent. Da hat Carsten Braun viel vor. Wir wünschen ihm eine glückliche Hand und werden den Prozess konstruktiv und kritisch begleiten.
Die Kreisverwaltung muss sich den mittlerweile zahlreichen Krisen natürlich auch stellen können. Da braucht man Personal.
Bei der ersten Krise, der Corona-Krise hat der Bund noch vollmundig den personellen Aufbau der Gesundheitsämter angestrebt. So konnte allein der Lahn-Dill-Kreis aufgrund seiner Einwohnerzahl 19 Stellen im Gesundheitsamt schaffen. Die Finanzierung wurde für 2 Jahre zugesagt, ABER die Stellen mussten zusätzlich und dauerhaft sein.
Das Angebot des Bunds wurde angenommen, aber wir Grüne haben davor gewarnt. Ich habe den damals neuen Leiter des Gesundheitsamts Herrn Dr. Müller gefragt, was er denn mit den vielen neuen Leuten überhaupt machen will? Jeder der Personalverantwortung hat weiß, wie schwierig es ist, so viele Leute in eine bestehende Struktur einzugliedern und vernünftig zu beschäftigen. Herr Müller meinte nur, da werde ihm schon was einfallen…
18 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen wurden im Rahmen dieses Förderprogramms dann eingestellt, bis 2026 werden sie vom Bund finanziert und dann müssen wir die Damen und Herren aus eigener Tasche bezahlen. Da kommt eine Belastung auf uns zu, die sich in den katastrophalen Zahlen von 2024 und 2025 noch nicht einmal niederschlägt und die künftig dauerhaft zu tragen ist.
So kann und darf man nicht arbeiten. Es muss langfristiger gedacht und geplant werden. Eine kurze Förderung darf nicht blind angenommen werden.
Mit dem vorliegenden Haushalt gehen wir an unsere Reserven. Ein Haushaltssicherungskonzept ist notwendig. Wir werden in den kommenden Jahren noch kräftig über Sparmaßnahmen und Standards nachdenken müssen. Ein 2. Schutzschirm oder eine neue Hessenkasse sind angesichts der Landesfinanzen utopisch.
Ein Kaputtsparen will niemand, es muss ein guter Mittelweg gefunden werden. Und da gibt es sicherlich einige Möglichkeiten.
Ein konstruktiver Dialog wird da hilfreich sein. Mit dem neuen Landrat haben wir da bisher durchaus gute Erfahrungen gesammelt. Unsere Gesprächswünsche hat er zeitnah erfüllt. Die Gespräche selbst waren sachlich, wertschätzend und zielführend. Das lässt hoffen.
ABER: Wir Grüne sind gespannt wie es im Kreis mit Umwelt- und Klimaschutz weitergeht. Die Stabstelle Klimaschutz, Energiemanagement und Mobilität soll ersatzlos aufgelöst werden. Während die Wirtschaftsförderung zur Chefsache wird, verschwindet der Klimaschutz. Das gibt zu denken und da werden wir GRÜNE künftig genau hinschauen.
Dem Haushalt werden wir nicht zustimmen, weil selbst unsere Sparvorschläge nicht angenommen wurden.
Vielen Dank.
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