Nichtüberlassung der Stadthalle Wetzlar und die Äußerungen des Landrats zum Sachverhalt 28. September 201830. September 2019 Foto: © Jakob Schmidt Rede hinsichtlich der Anträge von CDU sowie FDP zum Sachverhalt der Nichtüberlassung der Wetzlarer Stadthalle an die NPD und hinsichtlich der Äußerungen des Landrates Wolfgang Schuster zum Sachverhalt in der 19. Kreistagssitzung am 28.09.2018, gehalten von Martina Klement, Fraktionsvorsitzende B’90/Grüne, Mitglied des Kreistages. Vor 70 Jahren fanden sich die Väter und Mütter unserer Verfassung zusammen und entwickelten in intensiver und konstruktiver Arbeit das Grundgesetz, das über all die Jahre wirklich wertgeschätzt wird. Ein Meilenstein in unserer Geschichte. Die Grundlage unseres Zusammenlebens. Demokratie als Lebensform– die Wanderausstellung zu Theodor Heuss und Elly Heuss-Knapp im Foyer unseres Sitzungssaales zeigt was uns ausmacht. Eines der wenigen Dinge, die mir in meiner Schulzeit immer wieder einbläut wurden und dessen Bedeutung man mit zunehmender Lebenserfahrung immer stärker begreift: Wesentlich für die Demokratie ist die Gewaltenteilung, das heißt die Teilung in Judikative, Legislative und Exekutive. Genau auf diesem Hintergrund ist die Richterschelte[1] falsch. Man kann die Entscheidung des Verfassungsgerichts kritisieren. Man kann sie auch falsch finden. Ich selbst finde sie falsch. Das Urteil ist kaum nachvollziehbar. Die Verwaltung wird im Stich gelassen. Auch die Verfassungsrichter dürfen kritisiert werden, aber sie dürfen nicht beleidigt werden. Die Äußerungen auf Facebook wirken auf mich vorschnell und unüberlegt. Die Nerven lagen blank. Die Stimmung war aufgeheizt. Ich hätte es so nicht gesagt. Gerade im Blick auf die Gewaltenteilung. Gerade im Blick auf den zunehmenden Populismus. Sachlichkeit ist für mich der richtige Weg. Wir stellen eine zunehmende Verrohung der Sprache fest. Facebook und Twitter sorgen dafür, dass sich jeder möglichst schnell zu Wort melden will. Da wird viel Unüberlegtes gepostet. Eine ernsthafte Diskussion findet hier nicht statt – kann hier auch nicht stattfinden. Die eigene Meinung wird schnell kundgetan. Kernige Sprüche kommen an. Wertschätzende Umgangsformen gehen verloren. Dabei sind sie heute wichtiger denn je. Die Aussage des Landrats ist mittlerweile von der Kommunalaufsicht abschließend bewertet worden. Hinsichtlich seines Fehlverhaltens wurde der Landrat seitens der Kommunalaufsicht belehrt und auf die geltenden Mäßigungspflichten für Beamte hingewiesen. Ein Disziplinarverfahren gegen den Landrat gibt es damit nicht. Der Landrat akzeptiert diese Rüge. Die Verfassungsrichter selbst haben im Übrigen keine Anzeige wegen Beleidigung erstattet. Die Angelegenheit ist für uns damit erledigt. Die Diskussion um das Fehlverhalten des Landrats wird mit dem vorliegenden CDU-Antrag nun weiter am Köcheln gehalten. Die Äußerungen des Landrats stammen vom 26.03.2018. Der heute zur Debatte stehende Antrag stammt vom 27.08.2018. Also gut fünf Monate später. Er steht heute erstmals auf der Tagesordnung. Also gut sechs Monate später. Am 28.10. haben wir eine Landtagswahl und da kommt einem so etwas gerade sehr recht. Da machen wir nicht mit. Den Antrag der CDU können wir nur ablehnen. Das eigentlich Tragische an dieser Situation ist aber, dass es vom tatsächlichen Problem ablenkt. Wir müssen klare Kante gegen die NPD[2] zeigen. Wehret den Anfängen. Genau das ist mit der Demonstration am 24.03.2018 geschehen. (Herr Müller, wo waren Sie eigentlich an diesem Tag?) Wir müssen klare Kante gegen verfassungsfeindliche oder extremistische Gruppen zeigen. Und genau in diese richtige Richtung geht der vorliegende FDP-Antrag. Wir werden diesem Antrag daher klar zustimmen. Vielen Dank [1] Die Richterschelte: „Wir sollten mehr in die Aus- und Weiterbildung unserer Richterinnen und Richter investieren“, „Der Problembär trägt eine Robe.“ [2] Die NPD ist eine verfassungsfeindliche Partei, so das Urteil des BVerfG vom 17.01.2017. Die NPD verfolgt verfassungsfeindliche Ziele, aber sie wird trotzdem nicht verboten. Denn die NPD ist nach Ansicht des Gerichts zu bedeutungslos, um die freiheitlich-demokratische Grundordnung ernsthaft in Gefahr bringen zu können. Die Gesinnung der Partei und ihr Konzept der „Volksgemeinschaft“ seien zwar menschenverachtend, rassistisch und wesensverwandt mit der Ideologie des Nationalsozialismus. Doch dies allein reiche nicht aus. Es fehle derzeit an konkreten Anhaltspunkten von Gewicht, die es möglich erscheinen ließen, dass das Handeln der NPD zum Erfolg führe, so Gerichtspräsident Andreas Voßkuhle in der Urteilsbegründung. Die Partei habe es nicht vermocht, dauerhaft in einem Landesparlament vertreten zu sein. Auch in Kommunalparlamenten gebe es keinen bestimmenden Einfluss auf die politische Willensbildung. Es sei auch nicht zu erwarten, dass sich dies ändere. Insgesamt habe die NPD kaum einen Einfluss in der Gesellschaft. Im Wetzlarer Stadtparlament hat die NPD Fraktionsstatus und mit 4 Abgeordneten lautstark vertreten. Ist das noch bedeutungslos? Gibt es hier wirklich kaum einen Einfluss auf die Gesellschaft? Wehret den Anfängen! Das müssen wir doch aus unserer Geschichte gelernt haben.